Habitusdiagnostik: die alten Ärzte hatten ihre Beobachtungsgabe und die körperliche Untersuchung mit ihren Händen und der Wahrnehmung ihrer Sinne – jede Information war wichtig! Dafür braucht es Zeit und Ruhe – keine Eile, keinen PC und keine Geräte.
Heutzutage sitzt der Arzt meist dem Patient am Schreibtisch gegenüber, den Blick auf den PC gerichtet und druckt das Rezept aus. Dies alles geschieht in sehr kurzer Zeit. Wenn nötig wird eine Überweisung zu einer weiterführenden Untersuchung mittels Gerätetechnik ausgestellt.
Die Medizintechnik hat sehr große Fortschritte gemacht – das ist auch gut so. Doch die anderen Wahrnehmungen und Informationen, die vom Patienten selbst kommen, wollen unbedingt beachtet werden! Dafür benötige ich in meiner Praxis Zeit und Ruhe.
Zunge raus gehört zum Anamsesritual. So erkenne ich z.B. am Zackenrand der Zunge Zahneindrücke. Die weiche Zunge drückt sich an den harten Zähnen ab, weil sie geschwollen ist. Das kann auf Probleme mit der Leber hindeuten.
Die Hände schaue ich an, wenn ich im Gespräch den Eindruck habe, diese Erkenntnisse würden dem Patienten jetzt unmittelbar nutzen. Hat der Patient z.B. Depressionen, kann man schauen ob es in der Hand erblich geschrieben steht oder eine melancholische Veranlagung vorliegt oder gar nichts – was ist dann für die Depression verantwortlich? Diese Information hilft dem Patient unter Umständen, sich seinem Schicksal nicht mehr so ausgeliefert zu fühlen und Hoffnung zu schöpfen.
Andere Merkmale aus dem Gesicht zeichne ich auch während dem Anamnesegespräch ein, anderes denke ich mir nebenbei.